Foto: Ran Regev (source Kav LaOved's website)

An agricultural migrant worker. Foto: Ran Regev via Kav LaOved website

„Das Wichtigste ist unsere Fähigkeit, als Gruppe zusammen zu bleiben“

RLS: Die Organisation Kav LaOved ist die Hauptadresse für Anfragen der am stärksten benachteiligten Arbeitnehmer*innen auf dem israelischen Arbeitsmarkt – Israelis mit niedrigem Einkommen, Geflüchtete und Asylsuchende, palästinensische Arbeitnehmer*innen aus den besetzten Gebieten und Arbeitsmigrant*innen. Was waren die ersten Anfragen nach dem 7. Oktober die Kav LaOved erhalten hat und was konnten Sie diesbezüglich unternehmen?

Adi Maoz: Die ersten, unmittelbarsten und dringendsten Anfragen, die wir erhielten, kamen von Menschen, die in der Landwirtschaft in den Ortschaften um den Gazastreifen arbeiten – sowohl Thailänder*innen, die im Rahmen von Israels Abkommen mit Thailand zur Anwerbung von Arbeitskräften für die Landwirtschaft gekommen sind, als auch Menschen aus allen möglichen Ländern des Globalen Südens, die im Rahmen von „Studienprogrammen“ kommen und dann in der Praxis hier arbeiten. „Bruder, hilf mir, ich bin erschöpft; ich arbeite in Kibbuz Nir Oz [in der Nähe des Gazastreifens]; sie haben meine Freunde mitgenommen und ich weiß nicht, was ich tun soll“ – das ist eine der Anfragen, die wir über unsere Facebook-Seite bereits am Samstag, den 7. Oktober erhalten haben. Die thailändische Botschaft erhielt Anfragen von Menschen mit haarsträubenden Berichten über Terroristen, die auf sie schossen, sie gewaltsam von ihren Freunden trennten und die Freunde in den Gazastreifen verschleppten. Eine Person kontaktierte Kav LaOved und bat uns, eine Gruppe von Agrarstudenten aus Nepal und Arbeitsmigranten aus Thailand zu retten, die in einem Keller am Ortsrand von Mivtahim, einem Moschaw in der Nähe des Gazastreifens, zusammengepfercht waren. Soweit bisher bekannt, wurden unter den am 7. Oktober ermordeten Menschen 34 Thailänder*innen, die in der Landwirtschaft gearbeitet haben, identifiziert; nach Angaben der israelischen Behörden haben 18 der entführten und 45 der vermissten Menschen thailändische Pässe.

Während früheren militärischen Auseinandersetzungen hat Kav LaOved Videos und Info-Broschüren an in der Landwirtschaft arbeitende Menschen verteilt, in denen erklärt wird, wie sie sich bei Raketenangriffen schützen können und was bei einem Alarm zu tun ist. Wir haben auch die staatlichen Stellen aufgerufen, diese Menschen zu schützen und Verordnungen zu erlassen, die es untersagen, diese Menschen während der Kampfhandlungen arbeiten zu lassen, was oft geschieht. Es gibt nicht überall Schutzräume für diese Arbeiter*innen, und selbst dort, wo es welche gibt, handelt es sich in der Regel nicht um schützende Gebäude, sondern um große Betonzylinder, in die sich Menschen bei einem Alarm begeben können. Allerdings stehen diese in der Nähe der Wohnunterkünfte. Arbeiter*innen, die sich zum Zeitpunkt des Alarms auf dem Feld aufhalten, sind daher nicht geschützt.

Am Samstagmorgen wurde uns klar, dass die Situation völlig anders war – die Arbeiter*innen, deren Leben in Gefahr war, mussten gerettet werden.

Dabei handelt es sich um Arbeiter*innen, denen der sprachliche und kulturelle Zugang zur hiesigen Gesellschaft fehlt, die selbst zu normalen Zeiten nicht immer wissen, was hier passiert, und die nun plötzlich angegriffen werden und sich mitten in einem Konflikt befinden, an dem sie nicht beteiligt sind.

Sie haben keine Informationsquellen, keine Familien, bei denen sie Unterschlupf finden können, und es gibt nicht immer jemanden, der/die melden kann, wo sie sind.

Zunächst haben wir das getan, worin wir Erfahrung haben: Wir sind auf die Anfragen und Bedürfnisse der Arbeiter*innen vor Ort eingegangen. Die Leiterin der Abteilung für Arbeitsmigrant*innen in der Landwirtschaft wurde ab Sonntag, den 8. Oktober, zu einer Ein-Frau-Leitstelle. Im Gegensatz zu anderen Organisationen war Kav LaOved bereits vorbereitet; wir haben ein Handy Übersetzungsprogramm und verfügen über Erfahrung und eine Infrastruktur, um auf Anfragen reagieren zu können. Unsere Leitstelle kontaktierte die zuständigen offiziellen Stellen – die thailändische Botschaft, die einige Zeit brauchte, um zu verstehen, was vor sich ging, und dann begann, auf die Ansuchen der Arbeiter*innen zu reagieren und Rettungsflüge zu organisieren; die israelische Behörde für Bevölkerung und Einwanderung, die für diesen Arbeitsmigranten*innen zuständig ist; sowie die Abteilung im israelischen Außenministerium, die für die ausländischen Student*innen zuständig ist. Gleichzeitig war unsere Mitarbeiterin mit sehr beeindruckenden zivilgesellschaftlichen Organisationen in Kontakt – kontinuierlich mit dem Hauptquartier der „Achim LaNeschek“ („Waffenbrüder“),[1] die Arbeiter*innen gerettet haben und dies immer noch tun, auch im Norden Israels; sowie einer Gruppe von Aktivist*innen, von denen einige bereits in Vergangenheit mit Arbeiter*innen aus Thailand zu tun hatten, während andere durch Veröffentlichungen von den Problemen erfuhren und dann begannen, sich um sichere Orte für diese Arbeiter*innen zu kümmern. Einige der Arbeitgeber*innen kümmerten sich um ihre Arbeiter*innen, schützten sie und bestanden darauf, dass diese zusammen mit ihnen evakuiert werden. Für die anderen Arbeiter*innen musste eine alternative Lösung gefunden werden. Mit der Zeit geraten die Landwirt*innen immer mehr in Bedrängnis – sie müssen sich um Tiere und andere Arbeiten, die nicht aufgeschoben werden können, kümmern, und sie sehen, wie ihr Lebenswerk den Bach runtergeht. Landwirt*innen und die staatlichen Behörden versuchen, die Arbeiter*innen zum Bleiben zu überreden oder diesbezüglich unter Druck zu setzen. Die Arbeiter*innen müssen geschützt werden.

Kav LaOved versuchte, ein Ansprechpartner zu sein, die Rechte von Arbeitsmigrant*innen zu erklären, und in Abstimmung und Zusammenarbeit mit Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen Lösungen zu finden.

Der Leiterin der Abteilung für Geflüchtete und Asylsuchende von Kav LaOved gelang es, für 12 Familien von Asylsuchenden aus der Stadt Sderot [in der Nähe des Gazastreifens] eine Unterkunft in einem der Kibbuzim im Norden Israel zu finden. Aber es war nicht einfach, da viele Orte, die grundsätzlich dazu bereit waren, aus dem Süden evakuierte Menschen aufzunehmen, es abgelehnt haben, diese Familien aufzunehmen, sobald sie erfuhren, dass es sich um Asylsuchende handelt.

Wir sind jetzt damit beschäftigt, unmittelbar auf die Notsituation zu reagieren. Dabei stellen sich viele Fragen in Bezug auf die Beschäftigungsbedingungen vom Arbeitsmigrant*innen (zum Beispiel: Es gibt Arbeiter*innen, die gerettet wurden und Israel verlassen haben, aber ihr Gehalt für September noch nicht erhalten haben. Wie erhalten sie ihr Geld? Was wird aus Arbeitsmigrant*innen, die verletzt wurden? Werden die Arbeitsmigrant*innen nach Israel zurückkehren können?) – dies sind Fragen, die selbst im positivsten Szenario mit der Zeit geklärt werden müssen. Längerfristig wird sich Kav LaOved dafür einsetzen, dass Arbeitsmigrant*innen auch die gerechte Vergütung, psychologische Betreuung und Rehabilitation erhalten, die sie brauchen und verdienen.

Was passiert in dem derzeitigen Kriegszustand mit den palästinensischen Arbeitern aus der Westbank, dem Gazastreifen, sowie den palästinensischen Arbeiter*innen, die israelische Staatsbürger*innen sind?

Seit seiner Gründung berät und unterstützt Kav LaOved palästinensische Arbeitnehmer*innen, und das gilt auch in solchen Notstandssituationen, wie der jetzigen. Vor dem Krieg kamen zirka 150.000 Arbeiter aus der Westbank, mit oder ohne Arbeitserlaubnis, nach Israel; und weitere 15.000 Arbeiter mit offizieller Genehmigung aus dem Gazastreifen. Diese Menschen arbeiteten hauptsächlich im Baugewerbe, in der Landwirtschaft, in der Industry und im Dienstleistungssektor.

Seit dem 7. Oktober dürfen palästinensische Arbeiter*innen aus der Westbank nicht mehr nach Israel zur Arbeit kommen, und es ist unklar, ob und wann dieses Verbot aufgehoben wird. Natürlich geht es hier um den Lebensunterhalt von tausenden palästinensischen Familien.

Auf Grund der damit verbundenen Schwierigkeiten kehren viele der palästinensischen Arbeiter aus dem Gazastreifen nicht jeden Tag in den Gazastreifen zurück. Diese Arbeiter befanden sich am 7. Oktober in Israel, und man kann sich die Angst eines Arbeiters aus dem Gazastreifen, der sich dieser Tage in Israel aufhält, und seine Angst um seine Familie im Gazastreifen, zu der er nicht zurückkehren kann, kaum vorstellen. Am 8. oder 9. Oktober hat Israel die Arbeitsgenehmigungen widerrufen, wodurch die Arbeiter de facto zu Menschen, die sich illegal in Israel aufhalten, wurden. Zunächst versuchten Arbeiter aus dem Gazastreifen, in die Gebiete der Palästinensischen Autonomiebehörde zu gelangen, wo sie in Notstandszentren aufgenommen wurden. Ein paar Tage später beschlossen die israelischen Behörden, die Arbeiter aus dem Gazastreifen, die sich in Israel befanden oder versuchten, die PA-Gebiete zu erreichen, zu verhaften und in ein Internierungslager zu bringen, als Bürger eines feindlichen Territoriums und vielleicht auch als Druckmittel bei Verhandlungen über die Freilassung der aus Israel entführten Menschen.

Neben all diesen Ereignisse haben wir auch direkte Anfragen erhalten oder Nachrichten gehört über Palästinenser*innen mit israelischer Staatsbürgerschaft, die zu Entlassungsanhörungen vorgeladen werden, nachdem sie etwas in den sozialen Medien veröffentlicht haben, und darüber wie sehr sich Palästinenser*innen mit israelischer Staatsbürgerschaft fürchten, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Wenn es sich um israelische Staatsbürger*innen handelt, befassen wir uns normalerweise mit Rechtsverletzungen wie die Nichtzahlung der Rentenversicherungsbeiträge oder die Einbehaltung von Löhnen, nicht aber mit Entlassungen. Dies sind jedoch keine normalen Zeiten, und im Rahmen unseres Engagements, Arbeitnehmer*innen und ihre Rechte vor unfairer oder diskriminierender Behandlung zu schützen, organisieren wir uns, um Fragen beantworten und Lösungen anbieten zu können, indem wir beispielsweise Arbeitnehmer*innen begleiten, die zu Entlassungsanhörungen vorgeladen werden. Darüber hinaus haben wir für palästinensische Arbeitnehmer*innen Informationen auf Arabisch veröffentlicht und Verträge in arabischer Sprache gehalten, um sie über ihre Rechte aufzuklären.  

Der gegenwärtige Krieg wirkt sich im Grunde auf alle Arbeitnehmer*innen in Israel aus. Welche Auswirkungen sehen Sie, und was können Sie diesbezüglich unternehmen?

Wir sind jetzt sehr stark belastet, auch emotional. Wir sehen, dass Arbeitnehmer*innen dringend Hilfe benötigen – Antworten auf Fragen, Anleitung, Unterstützung. Neben unserer normalen Arbeit, die in allen Abteilungen fortgesetzt wird, bauen wir deshalb die Kontaktkanäle – unsere Telefon-Hotline und die Beantwortung von E-Mail-Anfragen – aus.

Mit der Zeit wurde uns klar, dass es notwendig ist, die staatlichen Anweisungen bezüglich der Arbeit im Ausnahmezustand zu befolgen – Anweisungen, die am zweiten oder dritten Tag nach Ausbruch des Krieges erlassen wurden und die für alle Arbeitnehmer*innen in Israel gelten.

Zunächst haben wir diese Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – wir haben sie in einer leicht verständlichen Sprache verfasst und ins Russische, Arabische, Spanische, Englische und Tigrinische übersetzt. Wir arbeiten derzeit auch an einer Reihe von aufklärenden Vorträgen, die per Video aufgezeichnet und dann in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden.

Gleichzeitig erkennen wir anhand der aufkommenden Fragen die Aspekte oder Umstände, auf die der Staat keine Antwort hat. Um ein paar Beispiele zu nennen: Was sollen Arbeitnehmer*innen tun, wenn einerseits nach Anweisung des Heimatfrontkommandos das seit dem 7. Oktober geschlossene Bildungssystem nur teilweise seinen Betrieb wieder aufnimmt, und andererseits die Arbeitnehmer*innen zur Rückkehr zur vollen Arbeitszeit verpflichtet werden, obwohl sie keine Lösung für ihre Kinder haben? Oder, es gibt Arbeitgeber*innen, die planen, einen Teil der Belegschaft in unbezahlten Urlaub zu schicken. Wenn der Staat keine entsprechenden Bedingungen dafür schafft, besteht die Gefahr, dass die davon betroffenen Arbeitnehmer*innen ohne Einkommen bleiben. Das Chaos auf dem Arbeitsmarkt ist dramatisch. Kav LaOved hat es sich zur Aufgabe gemacht herauszufinden, ob es angemessene Antworten und Lösungen gibt, und wo dies nicht der Fall ist, von staatlicher Seite die Schaffung von Lösungen einzufordern.

Und wo ist der Staat wirklich in diesem Kampf?

Das stärkste Gefühl ist, dass wir am 7. Oktober zu einer Situation aufgewacht sind, in der „es keinen Staat gibt“, sowohl in Bezug auf die Staatsbürger*innen als auch die Arbeitsmigrant*innen. Die bittere Wahrheit ist, dass wir bei Kav LaOved nicht darüber überrascht sind. Der Leiter unserer Rechtsabteilung hat schon seit längerer Zeit daraufhin gewiesen, dass seine Anfragen an die Behörden überhaupt nicht beantwortet werden oder dass die Antworten, die er erhält, lakonisch oder ausweichend sind und sich in der Praxis nichts ändert. Der Staat hat im Grunde ein anti-demokratisches Verständnis der Rolle der Zivilgesellschaft: Er erwartet von uns, dass wir die Arbeit eines Staates leisten, obwohl unsere Rolle als zivilgesellschaftliche Organisation darin besteht, den Staat zur Wahrung der Menschenrechte zu drängen und dies zu überwachen, nicht aber darin, den Staat zu ersetzen.

Seit langem sehen wir die Folgen der fortschreitenden Privatisierung öffentlicher Dienste, einem Prozess, in dem der Staat sich immer weiter, seine Verantwortung entledigt, fünf Wahlen ohne Regierung und ohne Haushalt, immer schlimmer werdender Verfall und Korruption der Regierung – das Ergebnis all dessen ist ein dysfunktionaler Staat; und in dem Ausnahmezustand, in dem wir uns seit dem 7. Oktober befinden, sind die Folgen extrem und dramatisch; es herrscht furchtbare Anarchie. Und so kommt es zum Beispiel, dass das Land im Chaos versinkt und es eine ganze Weile dauert, bis die staatlichen Behörden ihre Arbeit aufnehmen. Wir sehen diese Anarchie in einer ganzen Reihe von Symptomen und wir fragen uns als Organisation, die sich für Arbeitnehmer*innen einsetzt, was zum Beispiel mit den entführten Arbeitsmigrant*innen passieren wird. Die Auswirkungen treffen uns alle, aber die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen sind am härtesten betroffen.

Nichtsdestotrotz wollen wir den Staat nicht nur als Feind sehen, sondern von den Behörden das fordern, was sie zu geben verpflichtet sind. Denn es ist im Interesse des Schutzes der Arbeitnehmer*innen, dass wir weiterhin vom Staat einfordern, dass er seine Arbeit macht.

Dieser Krieg wirkt sich auf unser Berufsleben aus, auf unsere Aktivitäten als Aktivist*innen und auf unsere ganz persönlichen Bereiche. Wie gehen Sie mit dieser komplexen Situation um, auch emotional?

Wir sehen bei den Mitgliedern unseres Teams unterschiedliche Reaktionen – Lähmung, ein Gefühl der Sinnlosigkeit, Angst, Schmerz, Wut und auch Menschen, die fühlen, dass sie handeln müssen. Als Organisation lassen wir diese ganze Bandbreite an Reaktionen zu: Jede und jede tut, was er/sie kann, nach seinen/ihren eigenen Möglichkeiten und auf seiner/ihrer eigenen Art und Weise. Das Team von Kav LaOved ist gemischt und spiegelt die verschiedenen Bevölkerungsgruppen wider, die hier diesem blutenden Land leben: Juden und Jüdinnen, Palästinenser*innen, Asylsuchende und andere Menschen. Jeder/jede Einzelne hat individuell spezifische Punkte, an denen er/sie zusammenbricht, und die Fähigkeit, andere Teammitglieder an anderen Punkten zu stützen. Der Schock und der Schmerz waren vom ersten Moment an immens, und die Mitglieder des Teams, unabhängig von ihrer nationalen Herkunft, waren füreinander da, und dies auch während der Intensivierung der Angriffe auf den Gazastreifen.

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Adi Maoz
Kav LaOved, als Organisation, die sich zum Schutz der Rechte von Arbeitnehmer*innen einsetzt, hat etwas, das über nationale Grenzen hinausgeht und einen Ort erreicht, der zutiefst solidarisch und empathisch ist. Die Solidarität und Empathie zwischen den Teammitgliedern wurde nie infrage gestellt.

In den ersten beiden Tagen waren der Schmerz und der Schock überwältigend. Am Montag, den 9. Oktober, gelang es mir, physisch und mental, für einen Moment durchzuatmen, und ich habe ein Team-Meeting einberufen. Trotz der Situation und obwohl ich zwei kleine Mädchen zu Hause habe, ging ich am darauffolgenden Tag ins Büro, weil ich für das Team da sein wollte. Wir stellen sicher, dass wir uns einmal pro Woche per Zoom in einem Team-Meeting treffen, und letzte Woche hatten wir ein Zoom-Meeting mit den ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen von Kav LaOved. In diesen Zusammenkünften können die Menschen über ihre Gefühle sprechen, zuhören, sich austauschen, sich gegenseitig stärken und auch aktiv sein.

Wir sind uns einig, dass wir in dieser schockierenden Situation alles tun werden, was wir können. Wir werden so vielen Arbeitnehmer*innen wie möglich helfen. Aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Wir sind uns der Grenzen unserer Kräfte und Fähigkeiten bewusst. Es ist uns sehr wichtig, dass diejenigen, die durch Aktivität und Handeln mit der Situation umgehen, sich von Zeit zu Zeit ausruhen, und allgemein, dass wir uns um das Wohlergehen der Mitglieder unseres Teams bemühen.

Wir haben gelernt, dass das, was uns als Gruppe rettet, wir selbst sind, und dass das Wichtigste unsere Fähigkeit ist, als Gruppe zusammen zu bleiben.

                                                          Aus dem Hebräischen übersetzt von Ursula Wokoeck Wollin

Dieses Interview wurde am 22.10.23 geführt. Mehr Informationen zu Kav LaOved unter https://www.kavlaoved.org.il/en/

Anmerkungen

[1] Eine Organisation, die von Reservist*innen als Teil des breiten öffentlichen Protests gegen die Justizreform gegründet wurde. Am 7. Oktober gaben die führenden Persönlichkeiten dieser Organisation bekannt, dass sie alle Protestaktionen stoppen, dass sie alle Reservist*innen aufrufen, sich an der Verteidigung des Landes zu beteiligen, und dass sie die von ihnen für die Proteste aufgebaute Infrastruktur nun dafür nutzen werden, um den Sicherheitskräften und den Überlebenden des Massakers zu helfen.

Interviewte

Adi Maoz hat einen MA in Konfliktmanagement im interkulturellen Umfeld und ist zertifizierte Organisationsberaterin. Sie ist seit über zwei Jahrzehnten in zivilgesellschaftlichen Organisationen in Israel aktiv und hat sich an grenzüberschreitenden internationalen Initiativen zur Förderung politischer Bildung, mit Schwerpunkt auf Verteilungsgerechtigkeit und den Kampf gegen Rassismus und Besatzung, beteiligt.   

Autor:in

Tamar Almog ist Projektmanagerin im Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv.