Eine dreifache Funktion
Ausgehend vom Selbstverständnis der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Diskussionsforum für kritisches Denken und politische Alternativen sowie eine Forschungsstätte für eine progressive Gesellschaftsentwicklung im Sinne eines demokratischen Sozialismus zu sein, arbeitet das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung entlang dreier Arbeitsstränge, die unserer Aufgabe als Verbindungsbüro der Stiftung entsprechen: partnerschaftliche Kooperation mit progressiven Akteuren vor Ort, die für eine solidarische Gesellschaft und für internationale Solidarität und Frieden kämpfen; die Vernetzung lokaler Kräfte und Kämpfe mit ihren Entsprechungen in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt im Sinne eines solidarischen Internationalismus; schließlich möchten wir eine Plattform für Information, Analyse und Debatte sein, um die progressiven Stimmen aus Israel im Ausland und umgekehrt hörbar zu machen.
Partnerschaftliche Kooperation mit progressiven Akteuren vor Ort
Gesellschaft und Politik in Israel sind gegenwärtig durch drei Faktoren geprägt, die sich gegenseitig verstärken: die lang anhaltende Besatzung der Palästinensergebiete bei gleichzeitiger völkerrechtswidriger Ausweitung der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten, die zur systematischen Entrechtung der dort lebenden Palästinenser*innen führt; eine neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik, die die Erosion des Wohlfahrtsstaats und die Vertiefung sozialer Disparitäten zur Folge hat; sowie ein schleichender Prozess der Entdemokratisierung, bei dem demokratische Grundwerte infrage gestellt, Bürgerrechte abgebaut und dadurch inhärente Widersprüche, insbesondere zwischen jüdischer Bevölkerungsmehrheit und arabisch-palästinensischer Minderheit, verstärkt werden. Folglich ist ein rechtsnationalistischer Diskurs, mit der Siedlerbewegung als stärkste Lobby des Landes an der Spitze, hegemonial geworden, während sich die progressiven Kräfte in einer aussichtlos erscheinenden Defensive befinden.
Kernpunkt unserer Arbeit ist deshalb die partnerschaftliche Kooperation mit israelischen Initiativen, zivilgesellschaftlichen und Graswurzelorganisationen, gewerkschaftsnahen, akademischen und Kulturinstitutionen, die sich für die politische Inklusion aller gesellschaftlichen, ethnischen oder nationalen Gruppen, für solidarische sozioökonomische Verhältnisse sowie für eine gerechte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts und ein besseres Verständnis für die unmittelbaren Nachbarn Israels eintreten und Alternativen gegen rassistische, sexistische und militaristische Strukturen entwickeln.
Dabei schließt unsere Unterstützung das Bewusstsein um die ambivalenten Folgen unserer Intervention ein. Aus diesem Grund importieren wir keine Projekte, sondern fördern lokale Strukturen und Initiativen. Im Geiste dieses kooperativen Ansatzes lassen wir etwa unseren Partnern vor Ort auch das Initiativrecht, wenn es um die Nutzung unserer Räumlichkeiten geht: Diese stehen einer breiten linken Öffentlichkeit zur Verfügung, und Hunderte von Menschen nehmen monatlich an verschiedenen Veranstaltungen teil, deren Spektrum von öffentlichen Veranstaltungen linker Graswurzelorganisationen über interne Versammlungen progressiver Nichtregierungsorganisationen, Beratungen für sich selbst organisierende Geflüchtete aus der Subsahara und Workshops für russische Blogger bis hin zu Buchvorstellungen und Filmvorführungen reicht.
Vernetzung lokaler Kräfte und Kämpfe mit ihren Entsprechungen in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt im Sinne eines solidarischen Internationalismus
Als Teil eines sich internationalistisch verstehenden Netzwerks sind wir bestrebt, Räume für Dialog und Kooperation zu öffnen, die auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen basieren. Wir verstehen den Austausch über progressive Politik und Strategien als eine Chance, voneinander zu lernen und gemeinsam eine solidarische Zukunft zu gestalten. Deshalb legt die Rosa-Luxemburg-Stiftung besonderen Wert darauf, lokale Akteure mit gleichgesinnten Akteuren aus Deutschland, Europa und der ganzen Welt zu vernetzen.
Besonderer Schwerpunkt hierbei sind die deutsch-israelischen Beziehungen, über die der dunkle Schatten der Schoah liegt und denen folglich ein besonderer und komplexer Charakter innewohnt. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung setzt sich entschieden gegen jede Erscheinungsform des Antisemitismus ein und ist dem Erbe Rosa Luxemburgs verpflichtet, einer Jüdin, die zeitlebens Ziel antisemitischer Angriffe war. Das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt die Begegnung und den Dialog zwischen israelischen und deutschen Expert*innen, Akademiker*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen sowie einem allgemein interessierten Publikum mit Nachdruck.
Plattform für Information, Analyse und Debatte
Krieg, Gewalt, ungerechte soziale und wirtschaftliche Verhältnisse fallen nicht vom Himmel, sondern haben ihre Ursache in Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnissen. Doch, eine bessere Welt ist möglich. Sie bedarf allerdings einer kritischen Öffentlichkeit, die eben diese Rahmenbedingungen zu durchdringen versucht. Daher ist eine aktive und kritische Öffentlichkeitsarbeit eine der zentralen Aufgaben der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist einerseits darum bemüht, unterschiedliche Stimmen des kritischen Israels hörbar zu machen: durch eine hierfür eigens eingerichtete Webseite und durch Veranstaltungen und Begegnungen. Damit soll eine nicht israelische Öffentlichkeit die Gelegenheit bekommen, Innansichten hiesiger Verhältnisse und Kämpfe zu erhalten und lokale Akteur*innen kennenzulernen.
Andrerseits unterstützen wir lokale Plattformen und Akteure – Medien, Institutionen und Organisationen – dabei, hiesigen Öffentlichkeiten Stimmen aus dem Ausland zugänglich zu machen, die von einem menschenwürdigen Leben, überall gültigen Bürger- und Menschenrechten, sozialer Verantwortung und institutionalisierten Gemeingütern, die für alle da sind, im Sinne einer transnationalen Gegenöffentlichkeit sprechen.
«Wir treffen uns bei Rosa!»
Das Israel-Büro in Tel Aviv
Auf Tel Avivs prachtvollem Rothschild Boulevard mit seinen Villen, noblen Apartmenthäusern und Banken sind die sozialen Proteste aus den Jahren 2011/12 nicht vergessen: Hunderte hatten auf dem Mittelstreifen ihre Zelte aufgeschlagen, um ganz im Sinne von Büchners «Friede den Hütten, Krieg den Palästen» für bezahlbaren Wohnraum zu demonstrieren. Die Bilder gingen damals um die Welt. Als die Stiftung allerdings plante, in die großzügigen Räume an eben diesem Boulevard umzuziehen, erschien vielen die Vorstellung, dass in diesem sozialen Umfeld ein Ort der Begegnung entstehen könnte, als abwegig.
Diese Einschätzung hat sich im Laufe des Jahres 2015 drastisch verändert. Da Wohnungen und Veranstaltungsräume in Tel Aviv nach wie vor extrem überteuert und auch Treffen in Lokalen aufgrund der hohen gastronomischen Folgekosten kaum realisierbar sind, werden die Räumlichkeiten der Stiftung zunehmend von einer breiten linken Öffentlichkeit genutzt: Hier finden öffentliche Veranstaltungen linker Graswurzelorganisationen statt, interne Versammlungen progressiver Nichtregierungsorganisationen, Beratungen von sich selbst organisierenden Flüchtlingen aus der Subsahara oder Treffen von Mitgliedern der linken Opposition in der Knesset, wenn sie in Tel Aviv einen Ort brauchen, der Vertraulichkeit garantiert. Insgesamt hat sich die Nutzung der Räume verstetigt und zugleich vertieft: Seit April 2015 kamen zu den etwa 200 Veranstaltungen über 2.000 Besucherinnen und Besucher, gegen Ende des Jahrs pendelte sich die Zahl bei rund 350 Gästen pro Monat ein.
Binnen eines Jahres hat sich das Stiftungsbüro in Tel Aviv so zu einem Zentrum für die israelische Linke entwickelt, und nicht selten ist unter Aktiven aus dem linken, progressiven Spektrum der Satz zu hören: «Wir treffen uns doch bei Rosa!» Es steht nicht gut um die israelische Linke. Sie stellt eine kleine Minderheit dar, die immer stärkeren Repressionen ausgesetzt ist und sich in einem gesellschaftlichen Umfeld bewegt, in dem politische Freiräume stetig kleiner werden. Gleichzeitig finden progressive Kämpfe oft parallel statt, ohne dass sie sich miteinander verbinden. Umso kostbarer sind einige Initiativen, die in den Räumen der Stiftung ihren Treffpunkt gefunden haben. Etwa die Initiative Zusammenstehen, die Teilkämpfe, wie den Widerstand gegen Gentrifizierung oder den Kampf gegen die Besatzung und für die Rechte der palästinensisch-arabischen Minderheit in Israel, zusammenführen möchte und im Stiftungsbüro ihre Aktionen entwickelt. Dazu zählten die größten Demonstrationen im Jahr 2015 gegen die wachsende Gewalt und für eine gerechte palästinensisch-israelische Koexistenz. Oder aber die Sozialökonomische Akademie, die mit der neugegründeten Gewerkschaft «Macht den Arbeitern!» kooperiert und Betriebsrätinnen und -räte politisiert, von denen viele progressive Positionen vertreten, wenn es um Arbeiterrechte geht, dafür aber reaktionäre und nationalistische Ansichten in anderen Bereichen.
Mit der Öffnung des Büros für neue Gruppen erfuhr auch die Stiftung selbst eine Stärkung: Sie wird mittlerweile als wichtiger Teil einer aktiven internationalen linken Bewegung wahrgenommen. Das wiederum führte zu vielfältigen Begegnungen mit einer sich stets verändernden israelischen Linken, etwa mit Akteuren der arabisch-palästinensischen Minderheit im Land oder im Kulturbereich, die immer stärkeren Repressionen ausgesetzt sind. Der produktive Austausch ermöglichte ein größeres Engagement auf diesem Gebiet, etwa die Zusammenarbeit mit dem arabischen Khashabi-Ensemble-Theater, dem mit seinen Erfolgen eine der großen künstlerischen Überraschungen des Jahres 2015 gelungen ist.
Diese Entwicklungen und Perspektiven sollen sich in Zukunft auch auf der neu gestalteten Webseite des Stiftungsbüros Tel Aviv niederschlagen, die sich als Plattform versteht und die Vielfalt der israelischen Linken auch einem deutschsprachigen Publikum zugänglich machen will.
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Die Büroräume der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Israel befinden sich im Zentrum Tel Avivs, auf dem Rothschild Boulevard.
Wir stellen Aktivist*innen und Organisationen, die der Rosa-Luxemburg-Stiftung politisch nahestehen, unsere Räume kostenlos zur Verfügung.
Das Besprechungszimmer mit Konferenztisch bietet Platz für bis zu 16 Personen und ist mit Computer, Projektor, Audiosystem und einem großen Whiteboard ausgestattet.
Der große zentrale Raum ist weniger privat, bietet aber dafür Platz für bis zu 80 Personen und ist ebenfalls mit einem Multimediasystem ausgestattet (eher für Abendveranstaltungen geeignet).
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Yifat Mehl:
Telaviv.office@rosalux.org