Mizrahi Civic Collective (das Mizrachi zivilgesellschaftliche Kollektiv)

Befreiung der Geiseln jetzt!

Das Mizrahi Civic Collective fordert den israelischen Staat auf, dem moralischen Imperativ, Gefangene zu befreien, nachzukommen und mit aller Kraft seine Staatsbürger*innen zu befreien, selbst um den Preis der Freilassung von [palästinensischen] Sicherheitsgefangenen aus israelischen Gefängnissen.

Der staatliche Schutz seiner Bürger*innen ist das Fundament, auf dem ein Staat seine moralische Legitimität zur Herrschaft gründet. Die Katastrophe, die uns am 7. Oktober widerfuhr, hat zu einem schwerwiegenden Riss in diesem Fundament geführt. Viele Staatsbürger*innen können dem Staat die moralische Grundlage für seine Legitimität nicht mehr zusprechen.

Die Befreiung der Geiseln ist ein moralischer Imperativ, dem jedes demokratische Regime gegenüber seine Staatsbürger*innen, jeder Mensch gegenüber seiner Menschlichkeit, und jeder Jude und jede Jüdin gegenüber seiner/ihrer Tradition verpflichtet ist. Die Befreiung der Geiseln ist eine zweite Chance, die dem [israelischen] Staat gewährt wird, der es versäumt hat, seine Staatsbürger*innen zu schützen. Die Befreiung der Geiseln ist die Pflicht des Staats, der das Versprechen, das Leben seiner Staatsbürger*innen zu schützen, gebrochen hat.

Die Rettung und Rückkehr der entführten Staatsbürger*innen ist die drängende Aktion, die dem Staat die gebrochene moralische Legitimität erneut verleihen kann.

Die Bedeutung eines moralischen Imperativs in einer menschlichen Gesellschaft im Allgemeinen und in einer demokratischen Gesellschaft im Besonderen besteht darin, einen Weg genau in den Momenten vorzuzeichnen, in denen es zu individueller und kollektiver Verwirrung nach einer Veränderung kommt, die die Erwartungen der sozialen Ordnung untergräbt.

Seit Beginn des Terrorangriffs auf den westlichen Negev am Samstag, den 7. Oktober, etabliert sich in der Öffentlichkeit die Einsicht, dass „die Konzeption zusammengebrochen ist“. Diese Einsicht weist darauf hin, dass die tiefen Grundannahmen, auf denen Israels Sicherheitskonzept und Verteidigungsstrategie beruhten, grundsätzlich falsch waren. Der Zusammenbruch der Konzeption und die Notwendigkeit, neue Grundannahmen zu formulieren, die uns nicht nur auf der taktischen Ebene, sondern auch auf der grundlegendsten Ebene unsere Denk- und Interpretationsweisen in die Pflicht nehmen. Diese Aufgabe erfordert unter anderem eine systematische und kritische Auseinandersetzung mit dem, was bisher als feststehende Wahrheit wahrgenommen wurde. Fragen, was Gewalt, Kapitulation, Abschreckung und Rache in Bezug auf die Region des Nahen Ostens ausmachen, müssen mit einer neuen Logik untersucht werden.

Im Augenblick besteht unsere moralische Pflicht darin, die alte Logik, die uns verraten hat, und die Annahmen und Überzeugungen, die zusammengebrochen sind, sofort aufzugeben. Operativ bedeutet diese Pflicht die sofortige Befreiung der israelischen Geiseln, selbst um den Preis der Freilassung von [palästinensischen] Sicherheitshäftlingen. Alle Sicherheits-, Regional- und Imagefolgen, die sich aus dieser Entscheidung ergeben, müssen durch neue Grundannahmen ersetzt werden, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht formuliert werden können.

Der Entwurf einer neuen Sicherheitslogik darf nicht auf der Verletzung des humanitären Völkerrechts basieren. Er muss auf einer festen moralischen Wahrheit ruhen: Das Leben, die Würde und das Recht aller israelischen Staatsbürger*innen auf Schutz stehen an erster Stelle. Um das Vertrauen seiner Staatsbürger*innen zurückzugewinnen, muss der Staat seine Verpflichtung gegenüber dieser Wahrheit durch sein Handeln jetzt unter Beweis stellen. Dieses Handeln hat Vorrang vor dem nationalen Ego, vor politischen und strategischen Überlegungen, und vor unseren Urängsten und/oder greifbaren Ängsten; vor unseren früheren Erfahrungen, Wahrnehmungen und Kenntnissen; vor dem Verlangen nach Rache und dem Instinkt, zurückzuschlagen. Auf diese Weise wird der Staat nicht nur seine Legitimität zurückgewinnen, sondern möglicherweise sogar eine Eskalation verhindern, die die menschliche Sicherheit der Staatsbürger*innen noch weiter beeinträchtigen würde, und die Bedingungen für die Entwicklung neuer Möglichkeiten für die Menschen im Land und in der gesamten Region schaffen, die wir uns jetzt noch nicht vorstellen können.

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