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Die Leute denken, in Afrika sei alles anders

Im Januar fand in den israelischen Kinematheken das afrikanische Filmfestival Atesib! (das ist Amharisch und bedeutet „Mach Dir keine Sorgen“) statt,[1] das erste Festival dieser Art in Israel. Im Rahmen des Festivals wurden Kultfilme gezeigt sowie zeitgenössische Filme aus dem Senegal, aus Tschad, Äthiopien, Nigeria, Südafrika, Marokko und anderen Ländern, die bisher nicht in Israel zu sehen waren. Aus diesem Anlass sprach die alternative Internetplattform HaOkets mit dem israelischen Filmemacher Bazi Gete[2], dem Produzenten und Direktor des Filmfestivals, der selbst im Alter von acht Jahren aus Äthiopien in den Sudan geflüchtet und dann im Rahmen der Luftbrücke für äthiopische Juden und Jüdinnen nach Israel eingewandert war, über das afrikanische Kino und seine Bedeutung für das israelische Publikum.

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Bild aus dem Film "Kati Kati"

* * *

Erst neulich bezeichnete der US-Präsident Donald Trump Afrika als „Drecksloch“. Die Rede vom Kontinent als einem großen, rückständigen Land spiegelt eine recht weit verbreitete Ignoranz wider. Trifft das Ihrer Meinung nach auf die Diskussion in Israel zu?

Zu meinem großen Bedauern ist das in Israel auch so. Selbst Menschen, die wissen, dass Afrika ein Kontinent mit verschiedenen Ländern ist, tun so, als ob es sich um eine Einheit handele. Andererseits sehe ich auch eine neue Verbundenheit zwischen Israelis und Afrika, hauptsächlich durch den Kampf der Mizrachim und deren spannende Musikszene, und das freut mich sehr.

In kultureller Hinsicht unternimmt Israel einiges um zu verleugnen, dass es sich überhaupt im Nahen Osten befindet. Erst in den letzten zehn Jahren ist eine Tendenz zu beobachten, dass alles, was nicht mit westlichen Kulturen verbunden ist, mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Ist diese Entwicklung auch im hiesigen Kino zu beobachten?

Im israelischen Kino geht alles sehr langsam. Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass die Produktion eines Films in voller Spielfilmlänge große finanzielle Mittel erfordert, die meist von Fonds und Fernsehgesellschaften aufgebracht werden. Die wiederum sind wenig interessiert daran, in solche Dinge zu investieren. Der Mangel an hinreichender Finanzierung ist der Grund, warum es sich bei den auf dem Festival gezeigten israelischen Filmproduktionen hauptsächlich um Kurzfilme handelt, wie zum Beispiel die Sammlung „Israela“ und „Afrikana“ der Filmemacher Brahanu Admasu, Amit Hai Cohen und Alemwork Mersha. Aber ich bin optimistisch und sicher, dass sich auch das ändern wird. Das israelische Kino hat sich ja in den letzten Jahren stark gewandelt: Endlich gibt es verschiedene Genres, unabhängig produzierte Filme, und es gibt mehr Frauen, die Filme machen. Ich hoffe sehr, dass diese Veränderungen auch auf den oberen Ebenen der Geld gebenden Stiftungen ankommen werden.

Gibt es so etwas wie ein „afrikanisches Kino“? Und wenn ja, können Sie kurz beschreiben, was es ausmacht?

Das wäre ein unmögliches Unterfangen. Nach meiner Erfahrung handelt es sich dabei um ein sehr vielfältiges und facettenreiches Kino. Zwei Dinge fallen besonders auf: Afrikanische Filme beschäftigen sich kaum mit weißen Menschen, und in den meisten Ländern gibt es keine staatlichen Fördermittel. Filme werden dort von Kinoliebhaber*innen finanziert und von Geschäftsleuten, die ihr Geld in Filmproduktionen stecken.

Was hat Sie dazu gebracht, dieses Filmfestival zu organisieren?

Meines Erachtens sind wir Israelis mehr afrikanische Araber*innen als Europäer*innen. Und es ist traurig und unglaublich seltsam, dass es nicht schön früher ein solches Festival gegeben hat. Es war ein sehr schwieriges Unterfangen, aber trotz aller Schwierigkeiten bin ich froh, es gemacht zu haben. Ursprünglich wollten wir, dass das Festival in Neve Schaanan stattfindet, in einem Viertel im Süden von Tel Aviv, in dem vor allem Arbeitsmigrant*innen und [aus afrikanischen Ländern stammende nicht-jüdische] Geflüchtete wohnen. Aus finanziellen Gründen wurde es jedoch in die Kinemathek im Zentrum Tel Avivs verlegt. An einem Tag wird es in Neve Schaanan jedoch speziell Vorführungen für Geflüchtete und Asylsuchende geben. Meines Erachtens ist es eine Schande, dass ein Land, dessen Bevölkerung sich zum großen Teil aus Menschen zusammensetzt, die oder deren Vorfahren irgendwann einmal fliehen mussten, Geflüchtete so barbarisch und grausam behandelt. Sollten Menschen in den Tod geschickt werden, wird dies das Ende eines demokratischen israelischen Staats bedeuten.

Identifizieren Sie sich mit den Fragen, die die Protagonist*innen der auf dem Festival gezeigten Filme beschäftigen?

Natürlich. Der malische Film „Wulu“,[3] der das Festival eröffnet, beschäftigt sich mit den Schwierigkeiten eines jungen Mannes, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Der inspirierende Dokumentarfilm „Kolwezi On Air“[4] zeigt Menschen, die bereit sind, koste es, was es wolle, um Meinungsvielfalt zu kämpfen. Und der Preis dafür ist hoch in Ländern, in denen das System nicht demokratisch ist. Der Musikfilm „Faaji Agba“[5] dokumentiert die Ursprünge des Afrobeats – ein Genre, das ich sehr mag. Und dann ist da noch der Film „Black Girl“,[6] der im Rahmen der Ousmane-Sembene-Retrospektive gezeigt wird. Er ist eine Adaption des Regisseurs, der damit seine persönlichen Erfahrungen als schwarzer Mensch im weißen Marseille verarbeitet. Also ja, ich fühle mich von diesen ausgezeichneten Filmen angesprochen und bin von ihnen begeistert.

Außerdem neigen Menschen dazu zu denken, in Afrika sei alles anders. Es fällt ihnen schwer, diese einfache Sache, nämlich Triebe, zu begreifen. Und die Triebe sind dieselben – es gibt sie überall und es macht keinen Unterschied, ob dort mehr oder weniger Straßenbeleuchtung vorhanden ist.

Das Programm des Festivals besteht aus einer interessanten Mischung aus bedeutenden Filmen in der Geschichte des afrikanischen Kinos und Filmen der Gegenwart. Wie wurden sie ausgewählt? Und welche können Sie besonders empfehlen?

Wichtig war mir eine Retrospektive auf den bedeutenden senegalesischen Regisseur Ousmane Sembene, einer der Gründungsväter des unabhängigen afrikanischen Kinos, der 2007 gestorben ist. Ansonsten habe ich nur Filme ausgewählt, die mir persönlich gefallen. Das war das einzige Kriterium. Empfehlungen hängen davon ab, für wen sie gegeben werden. Alle Dokumentarfilme sind meines Erachtens atemberaubend. Bei den von mir besonders geliebten Musikfilmen ist es „Faaji Agba“, den ich empfehlen würde, bei den Spielfilmen ist es „Grigris“, [7] der das Festival abschließt. Und dann gibt es da noch die zutiefst beeindruckende Sammlung von Kurzfilmen, mit dem Titel „Afripedia Series“, die Sie unbedingt sehen müssen.

Übersetzt von Ursula Wokoeck Wollin

Das auf Hebräisch geführte Interview wurde ursprünglich am 16. Januar 2018 auf der alternativen Internetplattform HaOkets veröffentlicht.

Anmerkungen:

[1] Das vollständige Programm (in Hebräisch) findet sich unter http://www.haokets.org/wp-content/uploads/2018/01/%D7%AA%D7%95%D7%9B%D7%A0%D7%99%D7%99%D7%94.pdf.

[2] Mehr Informationen zur Person unter: http://www.filme-aus-afrika.de/DE/film-db/personen/personen-details/w/3514/.

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