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Von Dresden nach Tel Aviv und Zurück - Die Künstlerin Lea Grundig in Palästina, 1940-1948

Über ihre sozial engagierte Kunst äußerte sich Lea Grundig gegenüber einer Journalistin: „Die gesellschaftliche Krise gestattete es mir nicht, mich in den Elfenbeinturm der Kunst zurückziehen. Ich habe kein Verständnis für die Argumente der Verfechter einer sogenannten ‚reinen‘ Kunst, die sich von jedem anderen Sujet, insbesondere dem des didaktischen, distanziert. Kann man überhaupt zwischen dem Künstler und dem Menschen unterscheiden? […] Ich schildere in meinen Bildern menschliches Leid, Szenen des Widerstands, Menschen, die von Rache träumen, Kämpfer, Leidende und Sterbende“ (Davar-Zeitung, 29. März 1946).

Lea Grundig (1906-1977) wurde in Dresden als Lea Langer geboren. In den Jahren 1924-1926 studierte sie an der Dresdner Akademie der Bildenden Künste. Dort lernte sie auch ihren zukünftigen Ehemann, den (nicht-jüdischen) Maler Hans Grundig, kennen. Beide stellten ihr sozial engagiertes künstlerisches Schaffen in den Dienst kommunistischer Ideale. Nach einer Phase, in der sie vor allem Linolschnitte angefertigt hatte, erlangte Lea Grundig im Deutschland der 1930er Jahre den Ruf einer ausgezeichneten Grafikerin. Ab 1933 konzentrierten sich ihre realistischen Darstellungen (im Stil „der neuen Sachlichkeit“) auf den Schrecken und die Gräueltaten des erstarkenden Faschismus und damit zugleich auf das Leiden der Juden. Ihr besonderes Augenmerk galt den Frauen und Kindern.

1940 gelang es Lea Grundig, als Überlebende des Flüchtlingsschiffs „Patria“ in das britische Mandatsgebiet Palästina einzuwandern. Für etwa ein Jahr wurde sie zunächst im Flüchtlingslager Atlit interniert, wo sie sich mit zahlreichen Zeichnungen weiter als Künstlerin verwirklichte.

Ihr Ehemann, Hans Grundig, war in Deutschland als Kommunist, jedoch auch wegen seiner „subversiven Bilder“, verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert worden. In der Annahme, er sei im Lager verstorben, lebte Lea Grundig in Tel Aviv mit Nachum Eitan (Itin) zusammen, der ihr geholfen hatte, ins Land zu gelangen. Sie arbeitete weiter als Grafikerin. Den Höhepunkt ihres Schaffens bildete der Zyklus „Im Tal des Todes“ – ein 1944 veröffentlichtes Album, das Bilder des Schreckens der Shoah enthielt, wie sie in den Zeitungen beschrieben wurden. Zu den zahlreichen Arbeiten dieser Zeit in Palästina gehören auch Kinderbuchillustrationen, von denen einige in der Ausstellung präsentiert werden. 1946 stellte Lea Grundig ihre Werke in einer Einzelausstellung im Tel Aviv Museum vor.

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Gestapo im Haus, 1934, Blatt 10, Zyklus Unterm Hakenkreuz, Kaltnadelradierung

1948, nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Mann Hans das KZ überlebt hatte, verließ Lea Grundig Israel und kehrte nach Dresden in Ostdeutschland zurück. Anerkannt als eine der wichtigsten Grafiker*innen, erhielt sie als erste Frau eine Professur an der Dresdner Hochschule der Bildenden Künste bzw. wirkte sie auch als Präsidentin des Verbandes Bildender Künstler. In ihren Zeichnungen blieb sie den kommunistischen Idealen und einem humanistischen Weltbild treu, wich jedoch nicht selten vom fortschrittsorientierten Grundprinzip des sozialistischen Realismus ab, um möglichst eindringlich die Not des einfachen Volkes darstellen zu können. Nach dem Fall der Berliner Mauer und der Vereinigung beider deutscher Staaten wandelte sich in Deutschland die Haltung zum Schaffen Lea Grundigs, da sie als linientreue Repräsentantin des pro-sowjetischen Regimes angesehen wurde.

Eine große Zahl der Grafiken und Zeichnungen, die Grundig in Palästina angefertigt hatte, blieb in Israel erhalten, vornehmlich in Privatsammlungen. Abgesehen von wenigen Ausstellungen in der Jerusalemer Gallerie „Nora“ verließen die Kunstwerke die Lagerräume der Museen und Privathäuser jedoch nicht. Der Name Lea Grundig geriet in Israel in Vergessenheit.

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Eröffnung der Ausstellung

Die in Zusammenarbeit mit dem Israel-Büro der Rosa Luxemburg Stiftung entstandene Exposition basierte weitgehend auf den etwa hundert Werken, die sich in der Sammlung des Galleristen Igal Presler befinden, sowie zu einem kleineren Teil auf Leihgaben aus dem Museum im Ghettokämpferhaus und privaten Sammlungen. Mit ihr war das Schaffen der Künstlerin wieder ans Tageslicht geholt. Besonderes Augenmerk gilt dem Lebensabschnitt, den Lea Grundig im Mandatsgebiet Palästina bzw. in Israel verbrachte.

Vorgestellt wurde eine engagierte selbstlose und mutige Künstlerin, die ihr Leben der Förderung humanistischer Werte und dem Kampf gegen das Böse, das der Mensch dem Menschen antun kann, verschrieben hat.

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Angelika Timm, Leiterin des Israel Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung (2009-2015)
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Zum vollen Katalog der Ausstellung (Deutsch und Hebräisch)
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Interview mit Kunstforscher und Ausstellungskurator Gideon Ofrat im Jerusalem Post (Englisch)