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Wo wart ihr, als man die Geflüchteten abschob?

Die israelische Regierung ist fest entschlossen zehntausende Geflüchtete aus Israel abzuschieben. Während die Einwohnerregistratur- und Einwanderungsbehörde Entsetzen durch die Veröffentlichung einer Ausschreibung zur Rekrutierung von Menschenjäger*innen auslöst und die in Cholot eingesperrten Eritreer ein „Informationsblatt für den in ein sicheres Drittland ausreisenden Eindringling“ erhalten, fällt es bereits sehr schwer die Tatsache zu verdrängen, dass die juristischen und konstitutionellen Mittel im Kampf gegen die Abschiebung mehr oder weniger erschöpft sind und dass der Moment immer näherrückt, zu dem aktiveres Zutun und ziviles Engagement gefragt sind. Zusätzlich zur Petition der Intellektuellen, welche in den letzten Tagen in der Presse veröffentlich wurde, zum Aufruf an Piloten sich zu weigern, die Deportierten nach Afrika auszufliegen, zum Zusammenschluss von Schulleiter*innen, Shoah-Überlebenden, Jurist*innen und mehr, wollten wir euch Menschenrechtler*innen und Aktivist*innen fragen: Was kann man tatsächlich angesichts dieses Tages des Jüngsten Gerichts tun?

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Protest und Performance gegenüber der Botschaft von Ruanda in Israel, Herzilya Januar 2018. Foto: Activestills

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Barak Cohen – Rechtsanwalt und Aktivist

Es gibt einige Handlungsmöglichkeiten durch die man den von der Deportationen Betroffenen mit bürgerlichem Engagement und anderen Initiativen Schutz bieten kann. Zunächst einmal gibt es Aktivitäten im internationalen Bereich, die damit beginnen, den Präsidenten des "Drittlandes" Ruanda, Paul Kagame, bezüglich seines Vorgehens in Verlegenheit zu bringen. Sein Stand in der internationalen Gemeinschaft ist diffizil, denn es verhält sich nicht gerade so, dass er sich in einem bedingungslos demokratischen Umfeld befindet. Man könnte Druck auf ihn ausüben, in dem man ihn in den sozialen Medien, z.B. auf Twitter und anderswo, mit seiner Beteiligung an diesen Vorhaben konfrontiert.

Außerdem gibt es eine Vielzahl möglicher direkter Aktionen, die auf die hier ansässigen Entscheidungsträger*innen wirken könnten, seien es die Minister*innen, die dieses Abschiebungsvorhaben unterschrieben haben, sowie die Knesset-Abgeordneten, die dafür gestimmt haben und all die anderen, die an den Abschiebungen beteiligt sind. Man muss hier nicht sanft vorgehen. So gehört ein Besuch in der Synagoge des ultraorthodoxen Innenministers Arje Deri zu den legitimen Mitteln, die uns ermöglichen seine Haltung zu prüfen bezüglich der religiösen Pflicht seinen Nächsten zu lieben und zu beschützen.

Ein Mensch mit grundlegenden Moralvorstellungen sollte sich die Frage stellen, wie man diese Menschen deportieren kann? Es ist in uns ja allen klar, dass das Argument, es ginge um den Schutz von Süd-Tel Aviv eine Heuchelei sondergleichen ist – die Entscheider haben sich nie wirklich für die Einwohner*innen Süd-Tel Aviv interessiert und sie werden sich auch nach den Abschiebungen nicht für sie interessieren. All dies geschieht auch nicht zum Schutz des jüdischen Volkes. Dieser Plan hat keinerlei Berechtigung und Menschen mit einem Minimum ethischen Standards können nicht an einem solchen Handeln, das das reine Böse darstellt, beteiligt sein wollen.

Die Süd-Tel-Aviv-Aktivistin Sheffi Paz, die gegen die Geflüchteten hetzt, bekommt ihr Mandat von ihren Verbündeten in der Regierung und nicht vom Volk und daher müssen wir die Ansicht, dass gesamt Süd-Tel Aviv für die Deportation sei und die Regierung lediglich diesen Wunsch ausführen würde, unterminieren. Es herrscht die fehlerhafte Annahme, dass Sheffi Paz Volkes Stimme von Süd-Tel Aviv vertritt. Aber das ist von Grund auf falsch. Es gibt sehr viele Einwohner*innen in Süd-Tel Aviv, die gegen die Abschiebungen sind und dies muss zum Ausdruck gebracht werden. Sie repräsentiert weder die Alteingesessenen, noch die hinzugezogenen Einwohner*innen des Stadtviertels.

Ich bin sehr oft in der Gegend unterwegs und kann sagen, dass möglicherweise eine teilnahmslose Stimmung herrscht, aber mit Sicherheit keine Freude über die Deportation. In den letzten eineinhalb, zwei Wochen hat sich eine umfassende Kehrtwende gegenüber der Teilnahmslosigkeit entwickelt: Die Petition der Schriftsteller*innen, der Rabbiner*innen, der Akademiker*innen, der Piloten. Die Menschen haben begonnen, aufzuwachen. Es gibt Aufrufe von der Abschiebung Bedrohte an allen möglichen Orten aufzunehmen und zu verstecken. Wenn das ihr Leben rettet, dann ist das eine legitime Aktion. Das Land ist groß und weit genug und es gibt viele Menschen, die guten Willens sind.

Eines sehe ich bei all den Möglichkeiten: Ich glaube nicht, dass es gewalttätige Auseinandersetzungen geben wird. Die Exekutivgewalt gehört zum Hoheitsgebiet der Regierung. Bei den von mir vorgeschlagenen Handlunsgmöglickeiten denke ich an den zivilen Bereich: Äußerungen im nachbarschaftlichen Umfeld, Aktivitäten auf der internationalen Ebene gegen den ruandischen Präsidenten Kagame, Petitionen, Aktivitäten gegenüber den Entscheidern – all dies sind vielleicht Möglichkeiten, mit denen man diesen Erlass des Bösen aufhalten kann.

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Orit Marom – Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Hilfsorganisation für Geflüchtete Assaf

Wir werden von morgens bis abends mit Anfragen von Menschen aus dem gesamten politischen Spektrum und aus dem ganzen Land überschwemmt, die das Gefühl haben, dass die Regierung dieses Mal zu weit geht. Linke und Rechte haben den Eindruck, dass wir hier eine gefährliche rote Linie überschreiten und dass man dabei nicht tatenlos zusehen kann.

In diesen Tagen erleben wir den energischen Protest in vielfältigen Ausdrucksformen durch verschiedene Gruppierungen wie Schriftsteller*innen, Schulleiter*innen, Ärzt*innen, Schüler*innen, Shoah-Überlebende, Künstler*innen und Rabbiner*innen. Es wird Netanjahu schwer fallen alle in die Schublade "linker Gutmenschen" zu stecken, obwohl er genau das versucht. Die israelische Öffentlichkeit beweist jeden Tag, dass sie gegen Netanjahus Deportation ist.

Eine der wichtigsten Stimmen, die wir in der letzten Zeit hören, ist die aus Süd-Tel Aviv. Die Einwohner*innen des Südens wissen, dass sie diejenigen sein werden, die gegen ihren Willen für diese Deportation verantwortlich gemacht werden. Das erbärmliche Nullsummenspiel, das die Regierung Netanjahu mithilfe der Medien durchsetzen konnte, bricht nach und nach auseinander. Es geht nicht mehr um die Frage: „Entweder das Wohl der Geflüchteten oder das Wohl der Wohngebiete Süd-Tel Avivs“. Kein/e Einwohner/in im Stadtsüden wird bereit sein, dass man in ihrem/seinem Namen Menschen in den Tod schickt. Auch diejenigen, die bisher zwischen den Stühlen saßen und sich nicht entscheiden konnten, verstehen, dass man nicht mehr schweigen kann und es ertönen immer mehr Stimmen, auch von Alteingesessenen und Mizrachim gegen diese Deportation.

Die Haltung gegenüber der Deportation ist parteienübergreifend und geht über die Positionierung der Rechten und "klassischen" Linken hinaus. Wir bekommen auch Anfragen von Wähler*innen von mitte-rechten und rechten Parteien. Alle sind sich darüber bewusst, dass Israel mindestens 40,000 Menschen Asyl gewähren muss und kann. Diese Massenabschiebung wird nur durch intensiven Druck der Öffentlichkeit scheitern können, nur wenn jede und jeder etwas aktiv dagegen tut: von Kampagnen, die in den sozialen Netzwerken laufen, über Protestaktionen auf den Straßen, die wir bei Assaf und bei der Hotline für Flüchtlinge und Migrant*innen organisieren, bis hin zu jeglichem privaten Engagement. Und natürlich ist jede weitere private Aktion gesegnet.

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Stellenausschreibung der Einwanderungsbehörde, die Hilfskräfte zur Durchführung der Abschiebungen sucht

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Übersetzung der Stellenausschreibung:

Einwohnerregistratur- und Einwanderungsbehörde.

Für eine Initiative von nationaler Bedeutung unter der Ausführung der Einwohnerregistratur- und Einwanderungsbehörde suchen wir Einwanderungsaufseher zur Ausführung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen sich illegal Aufhaltende.

Aufgabenbeschreibung:

Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen, wie Auffindung, Verhöre und Verfolgung von sich illegal Aufhaltenden und deren Arbeitgeber, einschließlich Außendiensten sowie amtlicher Aufgaben, die mit der Behandlung von fremden Staatsbürgern zu tun haben.

Erforderliche Erfahrung und Qualifikationen:

    Zwei Jahre Berufserfahrung in dem ausgeschriebenen Bereich

    12 absolvierte Schuljahre und zwei Jahre Berufserfahrung

    Bei abgeschlossenem B.A. Studium ist keine Erfahrung für den Einstieg erforderlich

    gültiger Führerschein

    weitere Anforderungen werden vor Ort erläutert

Vollzeitstelle, Schichtarbeit

Die Stelle ist zeitlich auf 24 Monate begrenzt

Arbeitsbeginn: März 2018

Arbeitsort: Großraum Tel Aviv

Persönlicher Vertrag mit angemessenem Gehalt für passende Kandidaten!

Kasten links:

Am Ende der Beschäftigung wird ein Bonus von 30.000NIS (ca. 7000 Euro) bei entsprechender Leistung ausgezahlt

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Shula Keshet, Geschäftsführerin der Bewegung “Achoti”, Aktivistin bei “Power to the Community”, gebürtig in Neve Sha´an und Bewohnerin der Nachbarschaft

Die Stadtverwaltung und die Regierung haben fortwährend Neve Sha‘anan zum ultimativen Hinterhof der Gesellschaft gemacht. Sie haben alles in ihrer Macht Stehende getan, um uns Einwohner*innen das Leben zu verleiden und uns zu verstehen gegeben, dass wir hier nicht bleiben sollen. Die beschleunigte Gentrifizierung begann vor einigen Jahrzehnten, als Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen aus Asien und Osteuropa hier abgeladen wurden. Dann kamen die Geflüchteten aus Afrika, die hier einfach in mehreren Bussen täglich abgeladen wurden. Neve Sha´anan hat Raum für 7.000 Einwohner*innen. Nun waren es auf einmal 40.000 Menschen. Wir befinden uns an einem kritischen Zeitpunkt, denn jetzt besteht die Möglichkeit die Abschiebung zu nutzen, um die Gentrifizierung Süd-Tel Avivs enorm zu beschleunigen.

Seit Jahren sagen wir der Stadtverwaltung, dass die Infrastruktur zusammenbricht und dass die Enge untragbar ist. Dies ist kein menschenwürdiger Zustand - sei es für die Alteingesessenen, sei es für die Geflüchteten. Babys, Greise, Frauen, alle bezahlen in diesem Wohnviertel den Preis für die unverantwortliche Politik der Regierung sowie der örtlichen Behörden. Als jemand, der hier geboren und aufgewachsen ist und all die Jahre hier gelebt hat, habe ich alle Phasen der Vernachlässigung miterlebt. Einer der Momente, in denen ich mich am meisten als unsichtbare Mizrachi-Frau gefühlt habe, war August 1993, als der neue zentrale Busbahnhof[1] eröffnet wurde und um fünf Uhr morgens die Busse zu fahren begannen - nachdem wir bereits 1989 das erste Aktionskomitee von Neve Sha´anan gegründet hatten, um gegen dieses Bauvorhaben zu protestieren, was den Behörden und den Politiker*innen jedoch gleichgültig war.

Jetzt wird unsere Not auf zynische Weise ausgenutzt, um die Geflüchteten abzuschieben. Sie bekommen den ganzen Dreck ab, und das entsetzt mich, da es mich daran erinnert, wie man in der Diaspora die Juden für alle möglichen Seuchen verantwortlich gemacht hat. Dies ist ein Warnsignal für uns als Gesellschaft und wir dürfen dies nicht geschehen lassen. Vor Ewigkeiten haben wir bereits andere Lösungen vorgeschlagen: die Asylanträge überprüfen, einige im Viertel wohnen lassen und die anderen auf Ortschaften, Kibbuzim und auf ganz Tel Aviv verteilen, anstatt sie in ihren Tod abzuschieben; ihnen Arbeit geben - Israel benötigt arbeitende Hände in der Landwirtschaft und im Baugewerbe, anstatt dass man immer weiter Arbeitsmigrant*innen herholt, an denen Zwischenmänner Milliarden verdienen.

Süd-Tel Aviv ist gegen die Vertreibung der Geflüchteten UND der alteingesessenen Bevölkerung. Es gibt im Viertel alte arme Frauen, die in das “Achoti”-Haus kommen und erzählen, dass ihre eritreischen Nachbarinnen ihnen helfen. Als es nur ein paar Tausend Geflüchtete hier gab, waren wir Nachbar*innen und man kannte einander. Als daraus Zehntausende wurden, kannte man sich nicht mehr und die Hetze begann. Zunächst einmal ist dies unser Zuhause, und wir fordern die Einbeziehung der hiesigen Öffentlichkeit - die Stadtverwaltung ist jedoch zu einem Wirtschaftsunternehmen geworden, die mit Investoren in Verbindung steht und uns, die Bürger*innen, vergessen hat. Wir sind gegen die weiße Vorherrschaft, die über das Viertel hereinbricht, und gegen die Immobilienhaie, die auf uns pfeifen. Wir sind gegen jegliche organisierten kulturellen Veranstaltungen, die nichts mit dem Viertel zu tun haben und zur Gentrifizierung beitragen.

Werden wir als Gesellschaft unbeteiligt der Abschiebung zuschauen und schweigen oder werden wir kämpfen? Ich rufe alle dazu auf sich dem Kampf gegen die Deportation der Asylbewerber und der Vertreibung der Mizrachi-Bevölkerung aus unseren Häusern, von unserem Boden, anzuschließen. Jede und jeder, auch wenn sie nicht in Süd-Tel Aviv leben, müssen sich diesem Kampf anschließen. Das ist eine Schande für uns als Gesellschaft, auf welche Art und Weise Menschen missbraucht werden, als ob sie Waren wären und man hetzt uns gegen noch schwächere Bevölkerungsgruppen auf, um die Spuren der Untaten zu vertuschen. Man kann sehr viel tun und die aktuelle Deportation macht alles nur noch schlimmer, als es ohnehin schon ist.

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Rechtsanwalt Asaf Weitzen, ehemaliger Leiter der juristischen Abteilung der Hotline for Refugees and Migrants

Es finden auf zwei Ebenen Aktionen statt: auf der israelischen und auf der internationalen, mit Betonung auf Ruanda. Wenn Israel von dem Abkommen zurücktritt, dann gibt es keine Abschiebung und keine Verhaftungen, aber auch wenn Ruanda dies tut, wird es keine Abschiebung und keine Verhaftungen geben. Ruanda ist meiner Meinung nach das schwächere Glied in der Kette. Der Kampf der Öffentlichkeit in Israel ist notwendig und wichtig, aber er wird nicht ausreichen, um Netanjahus Regierung von seiner Absicht abzubringen die Geflüchteten einzusperren und abzuschieben. Es ist natürlich wichtig zu kämpfen, weil man etwas tun muss und man nie weiß, wie eine politische Aktion ausgeht und weil diese Initiativen mit ihrem zivilen Einsatz bewegend und wunderbar sind, die Geflüchteten glücklicher machen und ihnen zu verstehen geben, dass sie nicht allein sind und auch, weil das Gericht noch nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit gesprochen hat.

66 Millionen Entwurzelte und Flüchtlinge gibt es auf der Welt, weniger als 40.000 von ihnen befinden sich in Israel - und sogar diese wollen wir abschieben. Ruanda leugnet das Abkommen, auch weil Menschen hier vor der Botschaft demonstrierten. Dies ist von Belang auf der juristischen wie der internationalen Ebene. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie lügen, denn es gibt ein Abkommen (dieses hat der ehemalige Mossad-Agent Hagai Hadas ausgehandelt und nicht Vertreter*innen des Außenministeriums). Es ist jedoch so, dass Ruanda sehr viel weniger von dem Abkommen hat, als die israelische Regierung. Israel zahlt womöglich einen hohen Preis, aber Netanjahu persönlich profitiert von dieser Sache und daher wird er seine Meinung nicht revidieren, auch wenn es scharfe Verurteilungen auf der internationalen Ebene geben wird. Und auch wenn Ruanda nichts davon hat - wenn genügend Druck ausgeübt wird, wird es nicht nur öffentlich leugnen, sondern sie werden auch sagen: Netanjahu hat sich in den Vordergrund gespielt und wir dachten, dass sich all dies diskret abspielen wird, aber diese öffentliche Aufregung und der internationale Druck passen uns nicht.

Also muss man sich überlegen, wie man sie dazu bringt zu verstehen, dass sich das Ganze für sie nicht lohnt. Es gibt überall auf der Welt Israelis und Juden, denen das nicht gleichgültig ist, sowie Geflüchtete und Menschenrechtler*innen. Fast überall in Europa und in den USA hat Ruanda diplomatische Vertretungen. Ein konzertiertes Vorgehen in den sozialen Netzwerken und in den Medien, Demonstrationen vor den Botschaften: und Ruanda wird mit Anfragen überschwemmt. Dieser Umstand wird ihnen Kopfschmerzen bereiten und sie in diplomatische Verlegenheit bringen, bis sie verstehen, dass ihnen das zu viel ist. Praktisch sieht das so aus, dass sich Gruppen zusammentun, die Freund*innen von Freund*innen im Ausland ausfindig machen und überall, wo es eine diplomatische Vertretung Ruandas gibt, wird ein/e Koordinator/in ernannt und es geht los mit den Demonstrationen. Dies wird in den nächsten Tagen geschehen, bis das Abkommen annulliert wird (hierzu kann man sich auch auf Facebook an mich wenden).

Darüber hinaus gibt es eine Liste von allen Vertretungen Ruandas in der Welt, einschließlich Faxnummern, E-mail-Adressen, Telefonnummern, so dass auch diejenigen, die nicht vor Ort sind Worte des Zuspruchs sich aus dem Abkommen zurückzuziehen zusenden können. All das gelangt zu den Botschaften, dort wird es gesammelt und an das Außenministerium weitergegeben und am Ende die Regierung erreichen.

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Susan Silverman, Reformrabbinerin

Wir arbeiten auf verschiedenen Ebenen. Eine davon ist die Idee Unterschlupfmöglichkeiten in israelischen Haushalten bereitzustellen, sodass - wenn es wirklich zu Abschiebungen kommen sollte - israelische Familien afrikanische Familien bei sich aufnehmen und sie vor der Einwanderungspolizei verstecken und die Geflüchteten dadurch eine dritte Option erhalten, zusätzlich zu den zwei schrecklichen, die sie heute zur Auswahl haben: ins Gefängnis oder in ihren Tod geschickt zu werden.

Seit wir mit dieser Initiative begonnen haben, werden wir mit Angeboten überhäuft, obwohl es keine offizielle Veröffentlichung gegeben hat. Ich war von der Schnelligkeit überrascht, mit der sich Frauen und Männer für die Sache eingesetzt haben - 200 Rabbiner*innen haben Aufrufe veröffentlicht und mitgeteilt, dass sie Mitglieder ihrer Gemeinden unterstützen werden, sowohl Privatpersonen, als auch Organisationen. Wir wollen natürlich nicht, dass es hierzu kommt, wir wollen, dass die Regierung sich die ganze Sache nochmal überlegt und eine andere Lösung findet.

Es gab Kritik über den Gebrauch des Namens Anne Frank für unsere Aktion[2]. In dem Sinne, dass diese Geflüchteten keine jüdischen Flüchtlinge unter dem Naziregime sind, aber die Kritik war respektvoll und hat nicht dazu geführt die Aufmerksamkeit von dem eigentlichen Problem abzuwenden. Die Menschen, die Staatsbürger, sind nicht das Problem. Es ist die Meinung der Regierung, dass schwarze Fremde hier nicht hingehören. Es gibt in Israel viele Weiße ohne gültige Visa und wir sehen nicht, dass Kulturministerin Miri Regev diese als Krebsgeschwür bezeichnet, wie sie das gegenüber den afrikanischen Geflüchteten tat. Die Frage ist, wie man es schaffen kann diese Regierung in die Knie zu zwingen und anstatt ihrer zerstörerischen Initiative etwas Positives zu schaffen?

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Protest und Performance gegenüber der Botschaft von Ruanda in Israel, Herzilya Januar 2018. Foto: Activestills

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Halofom Sultan, Asybewerber aus Eritrea, 37 Jahre alt

Ich bin sechseinhalb Jahre in Israel, ich bin aus Eritrea geflohen, ich habe hier einen Antrag auf Asyl gestellt, der abgelehnt wurde. Man hat mir gesagt, dass ich kein Asyl bekommen kann, weil ich beim eritreischen Militär war. Ich war im Internierungslager Cholot, ich war in Eilat, ich war in Tel Aviv. Ich arbeite und will arbeiten. Ich habe nicht immer Arbeit, aber komme zurecht. Ich möchte nicht in Eritrea oder Ruanda sterben. Gestern war ich bei der Demonstration vor der Botschaft Ruandas, es war eine sehr große Demonstration und sie hat gewirkt. Wir wollen, dass man versteht, dass unser Leben in Gefahr ist, dass die israelische Regierung uns in den Tod schickt. Wenn es eine solche Möglichkeit gibt, dann sollen sie uns nach Eritrea zurückschicken und nicht in ein anderes Land. Wenn man uns helfen kann, das Problem in unserem Land zu lösen, dann ist das gut, aber wenn nicht: dann schickt uns nicht in ein drittes Land.

Israel ist besser als Ruanda für uns, trotz allem. Jetzt, nach der Demonstration, setzen wir uns mit all unseren israelischen Freund*innen zusammen und mit jedem, der uns hilft, und wir entscheiden, was zu tun ist und wie. Natürlich werden wir dem nicht zustimmen, nach Eritrea oder Ruanda zu gehen, eher gehen wir ins Gefängnis, so bleiben wir wenigstens am Leben. Ich glaube daran, dass uns die israelische Bevölkerung und nicht die israelische Regierung helfen wird eine Lösung zu finden und wir nicht zehn oder zwanzig Jahre im Gefängnis vergammeln werden.

Wir wissen um die vielen Initiativen gegen die Abschiebung und ich möchte allen Menschen, die so viel für uns tun und gegen die Abschiebung vorgehen, danken. Ich denke, dass die Israelis unsere Geschichte nicht kennen und nicht wissen, was zur Zeit in Eritrea passiert. Niemand wird freiwillig zum Flüchtling, wenn es nicht echte und ernste Probleme bei ihm zu Hause gibt. Die Israelis müssen unser Problem verstehen und uns Zeit geben den schlimmen Zustand in dem Land, aus dem wir geflohen sind, zu lösen. Niemand möchte Flüchtling ohne Status sein, zerstreut in aller Welt, ohne Familie. Auch ich möchte nach Hause, wenn ich eine Lösung gefunden habe, um zusammen als Familie zurückzukehren. Bis dahin gebt uns ein wenig Zeit und helft uns, unser Problem zu lösen.

Alle, die sich engagieren und helfen sind so gute Menschen, ich möchte ihnen danken.

übersetzt von Michal Bondy

Dieser Beitrag wurde zuerst am 23. Januar 2018 auf der alternativen Internetplattform HaOkets veröffentlicht.

Weiterführende Links:

Proteste gegen Abschiebung (Übersicht der aktuellen Proteste)

Fremdenhass als Mittel der Politik – Israels Regierung plant massenhafte Abschiebungen - Reut Michaeli

Das Gelobte Land, aber nicht für Asylsuchende - Haggai Matar

Dokumentiert: Brandbrief israelischer Schriftsteller*innen zur Abschiebung von Geflüchteten

Theater macht Gesetz

HaOkets Partnertext auf unserere Seite

HaOkets (English)

Anmerkungen:

[1] Eine der bekanntesten Bausünden in Israel, ein monströser Zementbau, der den gesamten Süden von Tel Aviv prägt, die Luft in der gesamten Gegend verschmutzt und heute als Inbegriff der Vernachlässigung Süd-Tel Avivs gilt.

[2] Der Aufruf der Rabbiner*innen, afrikanische Geflüchtete vor der Abschiebungsgefahr zu verstecken, führt den Namen „Anne Frank“ im Titel. Rabbinerin Silverman begründete dies folgendermaßen: „Anne Frank ist die bekannteste versteckte Person, und sie wurde versteckt, um nicht in den Tod geschickt zu werden. Wir haben Unterlagen, dass diese Menschen in Lebensgefahr geraten, wenn sie abgeschoben würden“. Sie bezog sich auf Berichte von Geflüchteten, die mit Folter und Menschenhandel konfrontiert wurden, nachdem sie „freiwillig“ nach Ruanda oder Uganda ausgereist waren. Menschen hätten in Europa unter der Naziherrschaft ihr Leben riskiert, um Juden zu retten und jetzt „sagen wir als Staat, dass wir nicht einmal den kleinsten demographischen Wandel riskieren wollen“, so Silverman und damit könne sie sich nicht abfinden.

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