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Die Kinder wollen Kommunismus

In seinem 1516 verfassten philosophischen Dialog Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia beschreibt Thomas Morus, einer der ersten Denker, der der Idee des Kommunismus ein eigenes Werk gewidmet hat, eine monogame, säkulare und fürsorgliche Gesellschaft, die kommunal organisiert ist, mit Gemeinschaftsküche und ohne Privateigentum. Dieses Werk verstand sich als Kritik der damaligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse Europas, insbesondere Englands. 400 Jahre später war ein Teil der Menschheit endlich bereit, diese Utopie auf die Probe zu stellen. Utopien aber pflegen sich Proben hartnäckig zu widersetzen. Das hat schon im Jahre 1920 Karl Kraus in seinem Fackel-Beitrag zum Tod von Rosa Luxemburg bemerkt: „Der Kommunismus als Realität ist nur das Widerspiel ihrer eigenen lebensschänderischen Ideologie, immerhin von Gnaden eines reineren ideellen Ursprungs, ein vertracktes Gegenmittel zum reineren ideellen Zweck — der Teufel hole seine Praxis, aber Gott erhalte ihn uns als konstante Drohung über den Häuptern jener, so da Güter besitzen und alle andern zu deren Bewahrung und mit dem Trost, dass das Leben der Güter höchstes nicht sei, an die Fronten des Hungers und der vaterländischen Ehre treiben möchten. Gott erhalte ihn uns, damit dieses Gesindel, das schon nicht mehr ein und aus weiß vor Frechheit, nicht noch frecher werde, damit die Gesellschaft der ausschließlich Genußberechtigten, die da glaubt, dass die ihr botmäßige Menschheit genug der Liebe habe, wenn sie von ihnen die Syphilis bekommt, wenigstens doch auch mit einem Alpdruck zu Bette gehe!“

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The Red Star, Noa Yafe, b. 1978, Bat Yam

Erhalten wird dieses „Gegenmittel zum reineren ideelen Zweck“ von Joshua Simon, Jahrgang 1979, seit 2012 Chef von MoBY, den kommunalen Museen der Stadt Bat-Yam nahe Tel Aviv. Simon ist der Initiator der Ausstellungsreihe, die im Laufe des Jahres 2016 in MoBY anlässlich des 99. Jubiläums der Oktoberrevolution stattfindet. Die einjährige, vom Israel-Büro der Rosa Luxemburg Stiftung unterstützte, Ausstellungsreihe trägt den Titel The Kids Want Communism (Die Kinder wollen Kommunismus), der einem Slogan und Stickern entstammt, die von der Sozalistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) in deutschsprachigen Ländern verbreitet wurden. 2017 werden die Kids in ihre Heimat zurückkehren und im Künstlerhaus Bethanien in Berlin-Kreuzberg zu sehen sein.

Simon erklärt seinen Ansatz anhand der Worte Daniel Bensaïds, einer der bekanntesten Persönlichkeiten der französischen Studentenbewegung: „Von all den Worten, die einst große Träume und enorme Versprechen förderten, hat der Kommunismus den größten Schaden durch die Art und Weise erlitten, in der er von einer bürokratischen Realpolitik eingenommen und einem totalitären Unternehmen dienstbar gemacht wurde. Jedoch stellt sich immer noch die Frage, ob es unter all diesen zu Schaden gekommenen Worten solche gibt, die es sich lohnt zu reparieren und wieder in Gang zu setzen.“ Um diese Frage zu beantworten, lädt die Ausstellung nicht nur zum Nachdenken über die Umstände und Folgen des im zwanzigsten Jahrhundert real existierenden Sozialismus ein, sondern auch zu untersuchen: was fast passiert wäre, was nicht passiert ist, was hätte passieren können, was hätte passieren sollen, und was immer noch passieren könnte. Für Joshua Simon ist der Kommunismus „die radikale Negation einer Realität, die Ausbeutung und Ungleichheit zelebriert: Überall, wo Kapitalismus hin geht, bringt er den Kommunismus als die Möglichkeit seiner radikalen Negation mit sich.“

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Back in the USSR,"Engels" , The New Barbizon Group

The Kids Want Communism will Vorstellungsmöglichkeiten anregen, die nach dem Verschwinden des Kommunismus verschüttet sind. Die Darstellung weiterer Aspekte der Wirklichkeiten im real existierenden Sozialismus soll das Potenzial utopischen Denkens wecken. Eines der gezeigten Werke ist die große sowjetische Enzyklopädie als kommunistische Antwort auf die Encyclopedia Britannica. Sie wird von der deutschen Künstlerin Nicole Wermers in einer Vitrine, wie bei einem Frühstücksbuffet, präsentiert. Künstler, Wissenschaftler und Besucher sind eingeladen, aktuelle Ereignisse anhand der darin glossierten Begriffe zu interpretieren. Ein Beatles-Song inspirierte die Bilderserie Back in the USSR, You Don’t Know How Lucky You Are der „Neuen Barbizon Gruppe“ von Natalia Zourabova, Asia Lukin, Zoya Cherkassky und Olga Kundina. Die vier Künstlerinnen stellen neugeschaffene Bilder ihrer Kindheit in der Sowjetunion neben Bilder, die sie als Kinder während der letzten Jahre der UdSSR gemalt haben. Die ursprünglich leidvollen Erfahrngen werden hier liebevoll ironisch als süße Erinnerung gezeigt. Ein Blick in die israelische Vergangenheit dokumentiert mit Fotographien und Videointerviews die politische jüdische-arabische Partnerschaft, die noch vor der Staatsgründung innerhalb der Kommunistischen Partei entstehen konnte und bis heute eines der wenigen erfolgreichen Modelle von Gleichheit zwischen Juden und Arabern in Israel ist.

Eine solche Ausstellungsreihe in Israel ist kein Zufall. Hier, wie auch in den Ländern weiterer, teilnehmender Kunstinstitutionen aus Tschechien, Ukraine, Griechenland, Slowenien, gibt es eine reiche Hammer-und-Sichel Tradition. Hier, ähnlich wie dort, bekennt sich der ursprünglich sozialistische Staat Israel heute eifrig und zeitgeistgemäß zu Globalisierung und Privatisierung. Der anfängliche Kommunismus ist noch zu spüren, aber altmodisch genug, um sentimental vermisst werden zu können.

Und doch war es überraschend, bei der Eröffnung einige alte, ex-sowjetische Bürger zu entdecken. Etwa eine Million Menschen wanderten aus der zusammenbrechenden Sowjetunion nach Israel ein. Bekanntlich eher keine glühenden Fans des Kommunismus, wollten sie vielleicht Zuschauer ihrer eigenen Vergangenheit sein und selbst erlebte Realität und Traum des Kommunismus durch die Fantasie und die Werke zeitgenössischer Künstler reflektiert sehen. Anlässlich einer offiziellen Führung hatte sich Direktor Simon einen feierlichen, roten Pionierschlips umgebunden, der sich unaufhörlich löste. Endlich sah sich eine Alte, mit einer Art Uschanka auf dem Kopf, gezwungen den Vortrag zu unterbrechen. „Darf ich bitte?“ fragt sie mit stark russischem Akzent. „Aber sicher!“ antwortet der Direktor. Eine Minute lang steht er still wie ein Kid, während ihm die Alte den richtigen solidarischen Knoten knüpft.

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Tali Konas ist Projektmanagerin im Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv

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Warum sollen die Kinder Kommunismus wollen?

Joshua Simon, Jahrgang 1979, seit 2012 Chef von MoBY, den kommunalen Museen der Stadt Bat-Yam nahe Tel Aviv, erklärt das Rational hinter der Ausstellungsreihe, die im Laufe des Jahres 2016 in MoBY anlässlich des 99. Jubiläums der Oktoberrevolution stattfindet.

“Von allen Versprechen, die einst große Träume nährten und ungeheure Verheißungen bargen, ist der Kommunismus dasjenige, das am meisten Schaden genommen hat, und zwar aufgrund der Art und Weise, wie es von der bürokratisierten Realpolitik gekapert und einem totalitären Vorhaben unterworfen wurde. Offen bleibt aber nach wie vor, ob es unter den gebrochenen Versprechen nicht doch welche gibt, bei denen es sich sich lohnen würde, sie noch einmal neu zu formulieren und wieder in Umlauf zu bringen”, schrieb Daniel Bensaïd, , in seinem letzten, erst nach seinem Tod (2010) veröffentlichten Aufsatz. In Israel/Palästina zeigt sich die Bedeutung des Kommunismus zuallererst darin, dass er die einzig brauchbare Option für ein politisches jüdisch-arabisches Bündnis ist.

“The Kids Want Communism” nennt sich eine Ausstellungsreihe, die das Jahr 2016 hindurch in den Museen von Bat Yam in Israel, abgekürzt MoBY, zu sehen war und das Ergebnis der Zusammenarbeit von zahlreichen Institutionen und Personen aus der ganzen Welt ist. Dazu zählen Tranzit aus Prag, The Visual Culture Research Center aus Kiew, die Free/Slow University aus Warschau, die State-of-Concept-Galerie aus Athen und die Škuc-Galerie aus Ljubljana. Die Reihe befasst sich vornehmlich mit der Gegenwart, ist also keinesfalls ein nostalgisches Unterfangen. Der Titel geht auf einen Slogan und Aufkleber zurück, der zuerst in deutschsprachigen Ländern Verbreitung fand und ursprünglich von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) stammt.

Tag für Tag werden wir von sich widerstreitenden antikommunistischen Strömungen und ihrer Propaganda heimgesucht: von der sich unter dem Schutz des American Empire ausbreitenden dschihadistischen Ideologie des Wahhabismus bis hin zur neoliberalen Politik der Europäischen Union, vom verheerenden “Krieg gegen den Terror” bis hin zur Liquidierung des Wohlfahrtsstaats, von einer auf Verschuldung und Vereinnahmung des Mehrwerts basierenden Wirtschaft bis hin zur Privatisierung von Gemeingütern, von der Spieltheorie und zerstörerischen Innovationen bis hin zur Kybernetik und ihren Produkten, allen voran das Internet. “The Kids Want Communism” wartet in dieser apokalyptisch anmutenden Situation, in der die Menschheit fest entschlossen scheint, die eigene Vernichtung voranzutreiben – und dies auf allen denkbaren Ebenen, von der persönlichen über die politische und ökonomische bis hin zur ökologischen und biologischen –, mit einer Reihe von Ausstellungen auf, die an den 99. Jahrestag der Oktober-Revolution (1917), der größten menschlichen Errungenschaft, erinnern.

Mit unserem Gedenken an diesen Jahrestag laden wir nicht nur zu einer Reflexion der Gegebenheiten und Folgen des real existierenden Sozialismus in Europa und Asien im 20. Jahrhundert ein. Dieses Datum fordert uns überdies zum Nachdenken heraus: darüber, was beinahe geschehen wäre, darüber, was nicht geschehen ist, und darüber, was hätte geschehen können beziehungsweise hätte geschehen sollen, und darüber, was heute immer noch möglich ist. Mehr als jedes andere Wort steht “Kommunismus” für die radikale Ablehnung des Bestehenden, einer Realität, in der Ausbeutung und Ungleichheit herrschen und gefeiert werden. Unabhängig davon, in welche Richtung sich der Kapitalismus entwickelt: Er hat immer den Kommunismus mit im Gepäck, die Möglichkeit seiner radikalen Negation. Und doch gibt sich der Kommunismus nicht mit einer bloßen Beschreibung der Machtverhältnisse und des daraus resultierenden Klassengegensatzes – “wir gegen die da oben” – zufrieden, sondern bietet uns eine zusätzliche Achse an, auf der wir selbst zur Zukunft werden. Der Leitgedanke dieser jederzeit parallel zu uns verlaufenden Achse lautet: Das Sein beruht auf dem Zusammensein, das Zusammenleben ist die Voraussetzung für die Existenz jeglichen Lebens – biologisch, politisch, psychologisch, familiär, sozial etc.

“Der kommunistische Horizont vermittelt uns ein Verständnis von der Welt”, erklärt Jodi Dean, zeitgenössische politische Philosophin aus den USA. Damit ist kein Horizont gemeint, dessen Grenze vor unseren Augen ständig verschwimmt, sondern vielmehr ein Horizont, der es erlaubt, uns überall zurechtzufinden. Diese Vorstellung von einem kommunistischen Horizont liegt vielen der in den Ausstellungen gezeigten Werke zugrunde, die verschiedene Sichtweisen und Orientierungen zum Thema haben. Teil der ersten Ausstellung (die bis zum 15. Juni verlängert wurde), sind “Structure for Rest” (2016) von Ohad Meromi, eine Installation, mit der die Besucher*innen zu Tagträumereien angeregt werden (sie sollen sich ausruhen und über eine völlig andere Welt phantasieren); “Public House” (2016) von Raanan Harlap, ein Wandrelief von einer Sozialwohnung im Museum, bei der das Gebäude wie eine Tasche von innen nach außen gestülpt wird (das Innere wird zum Äußeren und umgekehrt); und “Red Star” (2016) von Noa Yafe, ein Diorama vom roten Planeten Mars, dessen ausschließlich aus physikalischen Substanzen bestehenden Darstellungen den Eindruck erwecken, als handele es sich dabei um gerahmte Fotografien. In Deans Worten könnte man sagen: Diese Installationen stehen für eine anamorphe Politik: Sie nehmen mithilfe der Isometrik, der Kreation einer Zwei- und Dreidimensionalität, und der Aufforderung, unserer Vorstellungskraft (unter Beibehaltung unseres Verstandes) freien Lauf zu lassen, einen spezifischen Standpunkt ein, der quer liegt zu unseren politischen Realitäten und einen Weg aufzeigt, der über diese Realitäten hinaus- und auf den kommunistischen Horizont verweist.

Ein zentrales Thema von “The Kids Want Communism” ist der Umstand, dass uns mit dem Niedergang des Kommunismus ein bestimmtes Vorstellungsvermögen verloren gegangen ist. Das kommt auch in der Darstellung der Lebenswirklichkeiten im real existierenden Sozalismus, die Gegenstand eines weiteren Teils der Ausstellung sind, zum Ausdruck. Die aus den Ländern des Ostblocks stammenden Ausstellungsdokumente und -materialien sind zum größten Teil fiktiver Natur. Im ersten Teil der Ausstellung sind es Kinderzeichnungen und Science-Fiction-Filme aus der entsprechenden Zeit. Zu den Filmen, die hier gezeigt werden, gehören der kubofuturistische Stummfilm “Aelita – Der Flug zum Mars” (UdSSR 1924), in dem es um eine kommunistische Revolution auf dem Mars geht; das fantastische Meisterwerk “Neues Moskau” (UdSSR 1938); und der dystopische Film “O-Bi O-Ba: Das Ende der Zivilisation” (Polen 1985). Das literarische Genre Science-Fiction war im 19. Jahrhundert im Zuge der kapitalistischen Industrialisierung, also in einer Phase gewaltiger Unsicherheit, entstanden. Typisch für dieses Genre waren nicht nur interplanetare, sondern auch Zeitreisen. Die Fähigkeit, sich an einen bestimmten Zeitpunkt in die Zukunft zu beamen, fand ihre künstlerische Manifestation in den Möglichkeiten, die das Kino damals zu bieten hatte. Ihren politischen Ausdruck fand sie in Lenins Revolutionskonzept, als er mit der revolutionären Partei seine eigene Zeitmaschine erfand. Doch wie wir aus der Geschichte wissen, landet man mit dieser Zeitmaschine manchmal im falschen historischen Moment. Denken wir nur an die Errichtung totalitärer Kontrolle oder an die Zerstörung von Traditionen, wodurch das Vordringen des Kapitalismus in neue Territorien am Ende nur befördert wurde. Vom Satelittenprogramm Sputnik bis hin zu Tschernobyl: Die unglaublichen Realitäten in den Ostblockstaaten brachten ihre eigene Science-Fiction-Metaphorik hervor.

Ein weiteres Projekt mit Bezug zur imaginären Wirklichkeit im Ostblock und Teil der ersten Ausstellungsreihe von “The Kids Want Communism” ist “Back in the USSR. You Don’t Know How Lucky You Are”. Natalia Zourabova, Asia Lukin, Zoya Cherkassky und Olga Kundina, alles Mitglieder der “New Barbizon Group”, präsentieren hier neue Werke, die ihre Kindheit zur Zeit der Sowjetunion zum Thema haben, zusammen mit alten Zeichnungen, die sie als Kinder in den letzten Jahren der UdSSR angefertigt haben. Dies ist das erste Mal, dass diese Bilder zusammen zu sehen sind. Im zweiten Teil der Ausstellung, der im Juli 2016 eröffnet wurde, zeigt Anna Lukashevsky, das fünfte Mitglied dieser Gruppe, eine neue Reihe von Bildern, die als Reaktion auf die Arbeit ihrer Kolleg*innen entstanden sind.

Mit dem Titel des aus dem Jahr 1968 stammenden Beatles-Songs “Back in the U.S.S.R.”, den sich die New-Barbizon-Gruppe für ihre neue Ausstellung ausgeliehen hat, wird das Glücksgefühl zum Ausdruck gebracht, das sich erst im Rückblick einstellt, die süße Erinnerung an etwas, das ursprünglich als qualvoll wahrgenommen wurde, die Erkenntnis, dass der Wunsch, jemand anderes zu sein, dich zu dem macht, was du bist. All dies spiegelt sich in der wechselhaften künstlerischen Haltung der Gruppe wider, die verschiedene Stimmungen umfasst und sich grundlegend gegen jeglichen Akademismus wendet. In dieser Ausstellung kommt eine bittere Ironie zum Tragen, die ihren Ausdruck findet in einer Überidentifikation mit dem verhöhnten Gegenstand und so weit geht, dass Liebe und Verachtung gar nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Vergleichbar mit der Haltung des Sängers der Leningrader Rockband “Strange Games” (Странные Игры) in den 1980er Jahren, der sein musikalisches Vorhaben als ein “Agieren zwischen völliger Ironie und totaler Verblüffung” beschrieben hat, besteht der Anspruch der Ausstellung der New-Barbizon-Gruppe darin, sowohl das “Hier” als auch das “Dort”, sowohl das “Jetzt” als auch das “Damals” abzubilden. Die Sowjetunion existierte für die Ewigkeit, bis sie nicht mehr existierte. Die jüngsten Bilder der Gruppe sind auf der Grundlage von Erinnerungen an die späte Sowjetzeit entstanden: Sie zeigen ein fröhliches Klassenfest, jemanden, der zuviel getrunken hat und mit seinem Gesicht auf dem Teller eingeschlafen ist, eine Karatestunde, einen Dissidenten, der Radio hört und auf dem Bett tanzt. Die Originale aus der UdSSR heben deren Form hervor: Porträt, Stilllleben, Landschaftsgemälde, Radierung oder Skizzendruck.

“The Kids Want Communism” spielt daher vor allem mit unserer Vorstellungskraft, mehr noch mit unserem Wunsch und unserer Fähigkeit, das Vorstellbare zu ergründen. Mit einem kreisförmigen Gebäude, das an eine Raumstation erinnert, begeben sich MoBY und die Ausstellungen in die Tiefen des Weltalls, wo andere physikalische Gesetze gelten als auf dem Planeten Erde. Die Tragödie hier auf dem Planeten Erde besteht darin, dass wir uns inzwischen nicht nur vorstellen können, sondern tatsächlich dazu in der Lage sind, unser Telefon an einen Heliumballon zu binden, diesen in die Luft fliegen zu lassen und damit Bilder von der Stratosphäre aufzuzeichnen, während wir uns keinen ernsthaften politischen, gesellschaftlichen oder ökologischen Wandel hin zum Besseren, keine grundlegend andere Organisation des Wohnens, des Gesundheits- und Bildungswesens, der Kultur und des Arbeitsmarktes mehr vorstellen können. Kein Wunder also, dass sich die Kids nach dem Kommunismus sehnen.

(übersetzt von Britta Grell , TEXT-ARBEIT )

Autor:innen

Tali Konas ist Content Editorin für die RLS-Website