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Antisemitismus & Islamophobie

Die zeitgenössische Antisemitismusforschung beschäftigt sich häufig mit der Beziehung zwischen Antisemitismus und anderen Formen von Vorurteilen, einschließlich der Islamophobie. Jüngste Studien haben bemerkenswerte Ähnlichkeiten sowie Unterschiede zwischen Antisemitismus und Islamophobie aufgezeigt, sowohl hinsichtlich ihres Ausdrucks als auch ihrer Ursachen. Insbesondere hoben Wissenschaftler*innen hervor, dass europäische Beobachter*innen Juden und Jüdinnen sowie Muslim*innen oft als Fremde in Europa wahrnehmen und als im Orient beheimatet betrachten. Darüber hinaus gibt es wichtige Themen wie Antisemitismus unter Muslim*innen und Islamophobie unter Juden und Jüdinnen, die von der bestehenden Wissenschaft nicht angegangen wurden. Ebenso ist es wichtig zu analysieren, wie Muslim*innen heute den Widerstand gegen den Antisemitismus als Modell für das eigene politische Handeln gegen Islamophobie nutzen.

Diese und verwandte Themen stehen im Mittelpunkt eines Forschungsprojekts, das Dr. Scott Ury, Direktor des Stephen-Roth-Instituts für die Erforschung des zeitgenössischen Antisemitismus und Rassismus an der Universität Tel Aviv, und Dr. Lena Salaymeh, Dozentin an der juristischen Fakultät der Universität Tel Aviv, initiiert haben. Ihr Ziel: ein Forschungsprojekt, das die Themenfelder Antisemitismus und Islamophobie aktiv zueinander in Beziehung setzt. Es soll nicht nur Raum für Vergleiche und Analysen bieten, sondern auch dazu beitragen, die gemeinsamen historischen Erfahrungen, Pfade und Geschichten von Muslim*innen sowie Juden und Jüdinnen offenzulegen.

Der Vergleich von Antisemitismus und Islamophobie ist ein neu entstehendes und sehr umstrittenes Forschungsfeld. Zur Angemessenheit oder Unzumutbarkeit dieses Vergleichs wurden unzählige wissenschaftliche oder auch polemische Artikel verfasst. In der Tat haben einige Wissenschaftler*innen von vornherein jeden Versuch, Antisemitismus und Islamophobie zu vergleichen, abgelehnt. Doch obwohl sich die Wissenschaft dem Vergleich widersetzt, konzentrieren sich einige Wissenschaftler*innen darauf, im Rahmen der Arbeit zu Antisemitismus und Islamophobie Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Formen von Vorurteilen zu identifizieren und zu analysieren.

Obwohl die gegenwärtige Forschung zu den Verbindungen zwischen Antisemitismus und Islamophobie begrenzt bleibt, ist sie ein wachsendes und dynamisches Feld. Trotz dieser jüngsten wissenschaftlichen Entwicklungen geht die existierende wissenschaftliche Literatur nicht über die Beschreibung von Unterschieden oder Ähnlichkeiten hinaus; das heißt, die existierende Wissenschaft bietet mit wenigen bemerkenswerten Ausnahmen keinen Rahmen, um den Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Islamophobie einerseits und tieferen sozialen Dynamiken andererseits zu verstehen.

Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamophobie werfen eine Reihe faszinierender und immer wieder auch schwieriger Fragen auf. Worauf können Wissenschaftler*innen und Student*innen wiederholt festgestellte Überschneidungen und Parallelen zurückführen? Liegen einige Beobachter*innen mit ihrer Behauptung richtig, dass Islamophobie in der letzten oder den letzten beiden Generationen viele Merkmale und Wesenszüge des europäischen Antisemitismus geerbt hat? Führen Juden und Jüdinnen sowie Muslim*innen einfach die Rolle des Ur-Anderen aus, den Anthropolog*innen und Volkskundler*innen in fast jeder Kultur vorfinden? Oder gehen beide Phänomene von einer ständigen Begegnung zwischen der westlichen, europäischen Gesellschaft und Gesellschaften und Religionen aus, die den Osten, den ‚Orient‘ repräsentieren?

Mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat das Stephen-Roth-Institut eine Forschungsgruppe gebildet, die sich aus vier Doktorand*innen der Universität Tel Aviv und zwei Wissenschaftler*innen anderer Institutionen in Israel zusammensetzt. Diese Gruppe trifft sich monatlich, um verschiedene Aspekte von Antisemitismus und Islamophobie zu diskutieren. Zum Ende des ersten Jahres dieses Projekts fand am 3. Dezember 2017 ein Workshop an der Universität Tel Aviv statt. Neben dem Stephen-Roth-Institut und der Rosa-Luxemburg Stiftung war daran auch das Institut für deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv beteiligt. Zu den Teilnehmer*innen gehörten neben herausragenden israelischen Fachleuten, wie Dr. Yonatan Mendel vom Manarat Center für jüdisch-arabische Beziehungen am Van Leer Jerusalem Institute und Prof. Dr. Galili Shahar von der Universität Tel Aviv, auch Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin und Johannes Becke von der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg.